GESTALTTHERAPIE

Über die integrative Gestalttherapie
Gestalttherapie wurde von Fritz und Lore Perls (beide psychoanalytisch ausgebildet) sowie dem Soziologen Paul Goodman entwickelt und beschrieben. Zunächst im südafrikanischen Exil, später in der amerikanischen Wahlheimat haben die aus Nazi-Deutschland geflohenen Perls nach einer psychotherapeutischen Methode gesucht, die sowohl die Bewusstheit im Hier und Jetzt, als auch Körperlichkeit, Lebensfreude und kreative Kompetenz fördert. Eine Methode, die einer mehr ressourcen- und lösungsorientierten anstelle einer krankheits- und störungsorientierten Vorgehensweise entspricht.  Fritz und Lore Perls sahen in dem Begriff „Gestalt“, entlehnt aus der Gestaltpsychologie, den zentralen Grundgedanken ihrer Therapierichtung wiedergegeben. Darin spiegelt sich die Überzeugung, dass Individuen und Organisationen das Potenzial zur geistigen Gesundheit und eine innere Motivation zu Wachstum und kreativen Lösungen haben. Gestalttherapie sieht eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin, unerledigte Situationen aufzugreifen, zu bearbeiten und den blockierten Organismus wieder in Kontakt zu bringen mit dem Fluss der Lebensenergie und dem Austausch mit der aktuellen Umwelt.

Über die Wurzeln
Die philosophischen Wurzeln sind außer in der Psychoanalyse hauptsächlich im Existenzialismus, in der Theorie der menschlichen Begegnung von Martin Buber, der Phänomenologie, der Gestaltpsychologie, dem Taoismus und dem Zen zu suchen. Neben dem Gespräch werden auch Elemente des psychodramatischen Rollenspiels, kreative Medien, Bewegung und Körperausdruck eingesetzt. Der Mensch wird als Individuum mit seiner Lebensgeschichte wie auch in Interaktion mit einem sozialen Feld und den gesellschaftlichen Bedingungen als Hintergrund seiner aktuellen Situation gesehen.

Über den Prozess
Das Geschehen in der Gestalttherapie ist eine lebendige Interaktion zwischen Patient*in/Klient*in und Therapeut*in bzw. Berater*in. Als wichtigstes Instrument setzen Gestalttherapeut*innen dabei sich selbst, ihre Wahrnehmung, ihre Wirkung im Sinne eines bewussten systemischen Regelkreisdenkens ein. Das Geschehen in der Gestalttherapie ist somit auch eine Arbeit mit der Beziehung zwischen Patient*in/Klient*in und Therapeut*in, wobei Emanzipation und Selbstbestimmung das Ziel dieser Beziehung sind. Als flexible, wachstums- und veränderungsorientierte Methode ist gerade die Gestalttherapie der Herausforderung einer sich rasch wandelnden Gesellschaft gewachsen und trägt zur kreativen Anpassung an sich ständig wandelnde Bedingungen bei. Als Gegenstand der Wissenschaft haben wir es bei der Gestalttherapie mit einer realitätsorientierten komplexen Beziehungs- bzw. Individuum-Umwelttheorie zu tun und greifen damit auf den aktuellen Stand der Erkenntnistheorie, der Wahrnehmungsforschung, Ergebnisse der modernen Säuglings- und der psychotherapeutischen Effizienzforschung zurück.

Über die Wirksamkeit
Die Forschung belegt eine hohe Wirksamkeit der Gestalttherapie. Es liegt eine große Anzahl von Studien zu verschiedenen theoretischen und methodischen Konzepten der Gestalttherapie vor, wie auch zur Wirksamkeit der Anwendung bei Menschen mit verschiedenen klinischen Störungsbildern. Metaanalytische Studien zeigen, dass die Gestalttherapie im Vergleich mit Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, Gesprächstherapie und systemischer Therapie gut abschneidet. Die Gestalttherapie kann als eine der am besten beforschten Psychotherapierichtungen gelten.

Über das Wachstum
Die Gestalttherapie geht von einem lebenslangen Wachstumsprozess aus sowie dem Potenzial und der inneren Motivation von Menschen zu geistig-seelischer Gesundheit, Wachstum und kreativen Lösungen. Die Person und ihr Umfeld werden als ein Feld ständiger Wechselwirkung und gegenseitiger Beeinflussung gesehen. In kreativer Anpassung gestaltet die Person ihre Kontaktprozesse mit der Umwelt. Anpassungsformen, die in der Vergangenheit sinnhafte Antworten auf defizitäre und destruktive Erziehungs- und Umwelteinflüsse gewesen sein mögen, können in der Gegenwart sowohl für die Personen, als auch für die Umwelt oft dysfunktional und zerstörerisch geworden sein. Indem diese Anpassungsformen im Dialog und mit bewusstseinsfördernden, erlebensorientierten Methoden aufgearbeitet werden, können Möglichkeiten zur Neugestaltung erkannt und realisiert werden.

Über die Gegenwart
Die Beschäftigung mit Fragen bzw. Problemen, die in gegenwärtigen Erlebnissen auftauchen, sind meist der Ausgangspunkt für die Erforschung des Selbst und der dabei deutlich werdenden Wachstumshemmnisse. Vergangenes bzw. die Bedeutung und der Umgang damit können nur beeinflusst werden, indem es im „Hier und Jetzt“ dem Erleben zugänglich wird.

Über den Dialog
Entscheidend für die Wirkung der Gestalttherapie ist die dialogische Haltung der Gestalttherapeut*innen. Sie treten den Patient*in/Klient*innen nicht als überlegene Expert*innen gegenüber, sondern begegnen ihnen vielmehr als persönlich erkennbare, verständnisvolle Menschen, die sie mit Interesse und Engagement begleiten.

LITERATURLISTE

Bernstädt, J. & Hahn, S.
Gestalttherapie mit Gruppen. Handbuch für Ausbildung und Praxis. Bergisch Gladbach:
EHP | 2010

Buber, M.
Das dialogische Prinzip (13. Aufl.) Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus| 2014

Dreitzel, H.P.
Gestalt und Prozess. Bergisch-Gladbach: EHP | 2004

Francesetti, G., Gecele, M., Roubal, J. (Hrsg.)
Gestalttherapie in der klinischen Praxis. EHP | 2016

Hartmann-Kottek, L.
Gestalttherapie | Berlin: Springer | 2012

Joyce, P., Sills, C.
Gestalttherapeutische Kompetenzen für die Praxis. Ein Lehrbuch für Psychotherapie und Beratung | Bergisch Gladbach: EHP | 2014

Perls F.S., Hefferline R.F., Goodman P.
Gestalttherapie. Wiederbelebung des Selbst (Bd. 1) und
Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung (Bd. 2) | Stuttgart: Klett-Cotta | 2007

Zeitschrift der DVG (Hrsg.)
Gestalttherapie. Forum für Gestaltperspektiven | EHP